BRD 2008 , 73 Minuten
Buch und Regie: Aysun Bademsoy
Kamera: Nikola Wyrwich, Sophie Maintigneux
Ton: Ivonne Gärber, Sabine Ernst
Schnitt : Bettina Blickwede
Farbkorrektur : Clemens Seiz
Mischung : Ansgar Frerich, Martin Ehlers – Falkenberg
Herstellungsleitung : Heino Herrenbrück
Prod.-Assistenz : Caroline Rökelein, Armin Hildebrandt
Redaktion : Lucas
Schmidt – ZDF Das kleine Fernsehspiel
Produktion : Harun Farocki Filmproduktion
in Koproduktion mit ZDF Das Kleine Fernsehspiel
gefördert durch Medienboard Berlin Brandenburg
Mitwirkende :
Safiye Kok
Arzu Calkilic
Nalan Keser
Nazan Yavas
Gabrielle Türkan Celik
BSV Al-Dersim
Spor des BFV (Berliner Fussball Verband
e.V) Frauen Fußballmannschaft
Mehtap,
Paroz u.a. , Vorstand von BSV Al Dersim Spor, Gürsel Yildiz,
Ercan Parlak, Vatdal Akdag, Hüseyin Karaduman Arman, Selin und Sinan
Keles, Seno, Duygu und Efe Yavas
Selina Fatma, Hülya, Sevgi, Ilkgül, Gülsen Bekler, Sabiha Bekler, Baris Bekler
Herr Ebeling, Herr Walther
Schwester Esther, Arzu, Mehmet und Nalan
Ausschnitte aus:
"MÄDCHEN AM BALL" Aysun Bademsoy 1995, ORB
"NACH DEM SPIEL" Aysun Bademsoy, 1997, ZDF / Das kleine Fernsehspiel
Verleih:
Peripher Filmverleih - Segitzdamm 2 – 10969 Berlin
T 030 6142464 – peripher@fsk-kino.de
www.peripherfilm.de
Pressematerial
-
www.kinopresseservice.de
Die Vorgeschichte zum Film (Aysun Bademsoy)
Seit
den Dreharbeiten von “Mädchen am Ball“ (1995) und „Nach dem Spiel“
(1997) ist mein Kontakt zu den Mädchen aus den beiden Filmen über die
Agri Spor - Mädchenfußballmannschaft nie abgebrochen.
Nicht nur,
weil wir uns gegenseitig respektierten und mochten, sondern auch aus
meinem Interesse heraus, zu erfahren, was sie aus ihrem Leben gemacht
haben. Diese fünf Mädchen: Safiye Kok, Stürmerin der Agri Spor - Mädchenfußballmannschaft, Arzu Calkilic, Linksaußen, Nalan, Nazan Bekler und Türkan Celik, Mittelfeld, die drei Schwestern, die ebenfalls sehr starke Fußballerinnen waren.
Safiye
war die, zu der ich all die Jahre am meisten Kontakt hatte. Ihren
Werdegang verfolgte ich am intensivsten. Sie hatte in all
den Jahren verschiedene Jobs gehabt: als Türsteherin in einer
türkischen Disco, danach kellnerte sie in einem Cafe eines
Sozialprojekts für Drogenabhängige. Anschließend arbeitet sie in
einem Vereinslokal hinter der Theke. Innerhalb dieses Fußballvereins
hatte sie auch eine neue Mädchen - Fußballmannschaft gegründet. Und
heute arbeitet sie in einem kleinen, türkischen Bauunternehmen als
Aushilfskraft.
Die Fußballmannschaft, die sie damals gegründet
hatte, hat sie zum größten Teil mitgenommen in den Fußballverein AL
DERSIN Spor. Ein Verein, der einem Türkisch-Armenischen Verband
gehört. Hier hat sie mit einer anderen türkischen Profi-Fußballerin,
Meltem, nach und nach wieder eine Mannschaft zusammen gestellt.
Nur
Paroz, die Torwartsfrau von der Agri Spor Mannschaft, war ihr auch mit
gefolgt, hatte mit geholfen die neue Mannschaft auf zu bauen. Und die
neue Fußballmannschaft, die nun schon seit einem halben Jahr
existiert, entwickelt sich langsam zu einer guten Mannschaft, die sich
in der Tabelle nach oben kämpft.
Aber alles ist anders als in den Zeiten der Agri Spor Mädchenfußballmannschaft. Wenn wir uns trafen begann Safiye regelmäßig von den alten Tagen bei Agri Spor zu erzählen. Was für eine starke Mannschaft sie doch damals gewesen seien. Sie hat einen distanzierten und sehr analytischen Blick auf die Vergangenheit. Aber ihr Traum, einst in der Bundesliga mitspielen zu dürfen, denn konnte sie doch nicht ganz ohne einen melancholischen Blick zur Seite schieben.
Arzu
hatte ich seit Jahren aus den Augen verloren. Ab und zu, wenn ich
ein paar der Mädchen aus der frühen Mannschaft traf, fragte ich nach
Arzu, ob sie etwas von ihr gehört hatten. Niemand hatte Kontakt zu
ihr. Nur das Gerücht kursierte, Arzu sei in große Schwierigkeiten
gewesen. Hätte Probleme mit ihrer Familie.
Und irgendwann, da traf
ich zufällig den Vater von Arzu. Mein Wagen war mitten auf einer
Kreuzung stehen geblieben und ich versuchte vergebens eine Werkstatt zu
erreichen. Ich mochte den Vater von Arzu immer sehr gern. So, wie in
meinem Film „Nach dem Spiel“, so beugte er sich diesmal über meine
Motorhaube. Damals, im Film „Nach dem Spiel“ war er in seiner Freizeit
ständig mit dem Wagen von seiner Tochter Arzu beschäftigt. Er hatte
damals ihren kleinen Opel Corsa tiefer gelegt und breitere Reifen
montiert. Und hatte auch dafür gesorgt, dass sie mit einer guten
Musikanlage im Wagen durch die Straßen von Kreuzberg driften konnte.
Für Arzu bedeutete das Fahren durch die Tage und Nächte den Hauch von
„Freiheit“, den sie sich so sehr gewünscht hatte. So wie es in
den amerikanischen Filmen immer wieder erzählt wird.
Ich fragte
ihn dann nach Arzu. Er wurde etwas rot, erzählte von einer neuen
Wohnung, die Arzu gerade bezog und lenkte das Gespräch auf ein
anderes Thema. Ich überlegte kurz, ob ich ihm sage, dass ich gehört
hätte, Arzu sei in große Schwierigkeiten aber ich ließ es doch
bleiben.
Nach einer langen suche hatte ich sie gefunden. Wir
fingen an, uns zu Treffen. Anfangs hatte sie sich sehr
geschämt, wollte nicht über ihre Schwierigkeiten in den letzten
Jahre, sprechen und war oft aufgewühlt und fing immer wieder an,
zu weinen.
Und die Schwestern, Nalan und Nazan, die sah ich selten. Letztes Mal traf ich zufällig Nalan und Nazan auf der Straße. Nazan hatte mit ihrem Satz „Mit 21 Jahren werde ich heiraten, Kinder kriegen und glücklich sein“ ernst gemacht. Sie hatte inzwischen geheiratet und war jetzt hochschwanger. Sie war der Meinung, sie sei „glücklich“. Nalan hatte ein Jahr später auch geheiratet. Trotzdem war die Zeit an ihnen nicht spurlos vorbeigegangen. Der einzige Bruder war vor Jahren erschossen worden. Er hinterließ seine Frau und zwei Kinder. Und gleich daruaf war der Vater durch einen Herzinfarkt auf einmal gestorben. So blieben am Ende nur die Frauen zurück.
Und Türkan, nach mehreren Ein-Euro-Jobs, sagt sie, wollte sie nicht mehr warten. Die letzen fünf Jahre hatte sie mehr oder weniger ein Mutterdasein geführt. Hatte ihre Tochter Selina großgezogen, gemeinsam mit ihr die Trennung von ihrem Mann Deniz langsam abgearbeitet. Immer in Rücksprache mit der Familienberatung. Es war eine harte Zeit. Zusagen, die nie eingehalten wurden Stunden und Tage, wo ihre Tochter angezogen auf ihren Vater wartete, der aber nie kam. Und trotzdem forderte und klagte er die Vormundschaft für Selina ein. Eine Absurde und schizophrene Zeit, diese beiden Zustände gleichzeitig zu denken. Aber am Ende wusste sie, dass Deniz ihr nur eins auswischen wollte, sie bestrafen wollte für das, was sie nicht getan hatte, nämlich bei ihm zu bleiben, obwohl er sie verlassen hatte.
Das letzte halbe Jahr ist sie von einer ABM- Maßnahme zur nächsten gerutscht. Mal ist es eine Weiterbildung als Stadtführerin, mal ist sie im Training, wie man sich bewerben und wieder ins Arbeitsleben zurückfinden kann. Alles nur Provisorien in einer Arbeitswelt, in der es für sie als Ungelernte kaum eine Chance gibt.
Sie hat sich nie zufrieden gegeben, ist auf der Suche nach etwas gewesen, was Sinn macht. Eine Arbeit, die für irgendetwas gut ist, sagt sie.
Im dem Teil ging es um das Erinnern, das Reflektieren und das nach vorne Schauen, Ausschnitte aus den beiden letzten Filmen „ Mädchen am Ball“ und „Nach dem Spiel“ gaben Anstoß, rührten etwas an und konkretisierten die Erinnerung. Wovon träumten sie damals und was sind ihre Wünsche heute. Und wie soll ihr Leben weiter gehen. Die Arbeit, das Familienleben, die Liebe, der Alltag.
Die alten Fragen, die alten Vorstellungen und die Lebensentwürfe und Träume. Was haben die Mädchen getan, um sie zu realisieren?
Ein paar Gedanken zum Film “ Ich gehe jetzt rein ...“ von Aysun Bademsoy
Das Augenmerk richtet sich gerne auf die jungen Migrantinnen bei ihren Ausbruchsversuchen. Man ist gerne dabei, wenn das Kopftuch abgelegt wird, wenn die jungen Frauen aus den Zwangsehen fliehen oder aus dem unterdrückerischen Familienclan.
Auch ich habe die jungen Türkinnen von Agrispor begleitet, als sie sich widersetzten und Fußballerinnen wurden. Zwei Filme sind dabei entstanden. Es ging um den Aufstieg in die Verbandsliga und es ging um den Aufstieg in ein Leben, dass sie selber führen wollten, selbst Bestimmt.
Wünsche, Träume, Ziele, das lässt sich filmen, da sind Kraftlinien.
Die jungen Türkinnen der Berliner Agrispor Mädchenfußballmannschaft sind heute 28,29 Jahre alt. Sie haben viele Kämpfe geführt. Kleine und sehr große Niederlagen liegen hinter ihnen. Zerfetzte Ehen, ein Fügen in Verhältnisse, langjährige Kämpfe gegen die Vorschreibungen der Familien
Jetzt sind sie allein. Niemand begleitet sie. Sie beginnen sich zu sammeln. Sich wieder zusammenzusetzen. Nachzudenken. Zu erinnern. Sie haben gelernt.
Ich habe sie in ihren Alltag noch einmal begleitet.
Es
ging um Fragen, um Vorstellungen, um Lebensentwürfe und Träume.
Fünfzehn Jahre ist es jetzt her, wo “NACH DEM SPIEL “,
entstanden ist. Was ist in der zwischen Zeit , in all den Jahren
geschehen
.
Zum Film von Nicola Wyrwich (Kamera)
Ich sah die Mädchen zum ersten Mal in den beiden vorangegangenen Filmen. Um sie herum war Frühling und sie probierten sich aus. Als im Spätherbst die Dreharbeiten für den dritten Film begannen, stand ich erwachsenen Frauen gegenüber: Das Weiche war aus ihren Gesichtern verschwunden. Und ihre Locken hatten sie sich glatt gezogen. Aber es gab nicht nur ihren ernüchterten Blick. Ihre Augen konnten geradezu dreieckig werden und gewaltig renitent blitzen. Wir wollten die Mädchen in ihrer Umgebung zeigen. Daher nutzten wir die hohe Schärfentiefe der kurzen Brennweiten.
Das Bild mit dem der Film endet, war auch das letzte, das wir drehten - und für mich das bezeichnendste : fünf Frauen im Schneeregen. Sie sind nicht verschont geblieben.