John
Cassavetes über den Film:
Ich weiß nicht. Für mich ist A WOMAN UNDER THE INFLUENCE
immer noch ein sehr optimistischer Film. Aber ich weiß - so wie
ich das Leben kenne, was sich vielleicht von dem anderer Leute unterscheidet:
zwei Leute, die zusammenleben, sind ständig an dieser Beziehung
interessiert. Ob sie sie hassen oder nicht. Sie sind besessen von dieser
Beziehung, ob sie gut oder schlecht ist. Daher auch immer die Suche
nach einem Etikett für die Manieren. Wie benimmst du dich in einer
bestimmten Situation ? Und niemand weiß wirklich, wie sie sich
verhalten werden. Und ich glaube, darin steckt der Humor.
Der positive Wert ist, daß irgendein dummer Narr dir nicht erzählt,
was passiert: »Wenn deine Frau dich verläßt, dann solltest
du einfach weggehen und eine Achtzehnjährige heiraten. Das ist
die Antwort. Wenn sie mit einem anderen herumspielt, würde ich
mir das nicht länger als zwei Sekunden ansehen.« Oder was
immer. »Sei modern. Es stört dich doch gar nicht. Wenn sie
dein Freund ist, dann mußt du dich doch nicht darüber grämen,
daß sie mit einem anderen ins Bett geht...« Das ist alles
sehr niedlich, wunderbar als Rat. Aber wenn es Leuten wirklich zustößt,
also wenn Dinge, die wirklich Bedeutung haben, Leuten zustoßen,
dann wissen sie natürlich nicht, wie sie sich verhalten sollen.
Ich habe noch nie jemanden gesehen. Die Klügsten. Ich kenne freudianische
Analytiker, die durchdrehen, denen es noch viel schlechter geht als
Leuten, die nicht wissen, was sie tun oder was sie durchmachen. Und
ich denke, besonders A WOMAN UNDER THE INFLUENCE ist ein Fall, wo zwei
Leute einfach kein Konzept dafür haben, wie sie mit ihrem Gefühl
füreinander umgehen sollen. Ich finde vieles davon witzig und vieles,
das berührt, aber nicht deprimiert. Es macht mich betroffen, daß
sich die Frau in einem bestimmten Augenblick umbringen will und daß
ihr Mann versteht, daß das nur für diesen Augenblick gilt.
Es passiert - und zwei Sekunden später ist es vorbei. Sie hat sich
die Pulsadern aufgeschnitten - in einem anderen Film wäre man sofort
danach in einem Krankenhaus, und die Leute würden reden und reden
und reden. Aber meiner Meinung nach wollen sie auch nicht, daß
die Liebe funktioniert oder daß das Leben funktioniert. Sie ziehen
es vor, darüber zu reden, wie schrecklich es gewesen ist, was da
jemand gerade gemacht hat. Wenn Leute sich wirklich mögen, dann
erleben sie lauter solches Zeug, viel schlimmer als das, was man in
WOMAN UNDER THE INFLUENCE sieht. Der Film ist nicht deprimierend. Die
Filme, die ich mache, versuchen immer nur zu sagen: was würdest
du sonst mit deinem Leben anfangen, wenn du nicht diese schrecklichen,
halb langweiligen, halb erschreckenden Abenteuer des Herzens hättest?
Was würdest du sonst machen? Wenn du es nicht hast, dann willst
du es, und wenn du es hast, dann willst du es nicht. Das ist wie mit
der Schauspielerei. Hat ein Schauspieler erstmal eine Rolle, dann will
er sie nicht. Und bevor er sie hatte, wäre er dafür gestorben.